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Dead Sync: One small step for a man, one giant leap for mankind
Bühneninstallation für Texter, Musiker und Videosampler
“Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll.”
(Friedrich Nietzsche)
Dead Sync folgt den Spuren von Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey und beschäftigt sich mit den Fortschrittsfantasien des Science Fiction-Genres und mit dem radikalen Geschichtsbild von Friedrich Nietzsche. Den Grundton und den Untertitel liefern Neil Armstrongs historischer Schritt auf den Mond und sein euphorischer Funkspruch zur Erde: „That’s one small step for a man, one giant leap for mankind.“
Die Rede ist von Menschen, die mit Erfindungen, Entdeckungen und Eroberungen unaufhaltsam und rücksichtslos nach vorne drängen und Grosses vollbringen, – und dann vielleicht verwundert feststellen, dass das mühsam Erreichte bald schon überholt ist, dass sich die Spirale des Fortschritts ewig weiter drehen wird: ein Riesensprung für einen Menschen bleibt letztlich ein kleiner Schritt für die Menschheit.
Das Publikum findet sich in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts beim Besuch eines Filmstudios und erlebt vier Spezialisten beim Synchronisieren, Vertonen und Editieren ihres epochalen Sci Fi-Meisterwerks. Doch schon bald wird klar: was für die einen state-of-the-art ist, erscheint den andern (und nicht nur den Besuchern aus der Zukunft) längst überholt. Lohnt sich der ganze Aufwand überhaupt?
Parallel auf mehreren Videoscreens und über mehrere Audiokanäle synchronisieren, vertonen und editieren vier Performer die abgedrehten Szenen ihres visionären Science Fiction-Films. Doch schon bald entpuppt sich das Meisterwerk als simple Evolutions- und Menschheitsgeschichte, in der jeder Fortschritt einmal Science Fiction war, und – frei nach Nietzsche – der Mensch etwas ist, das überwunden werden soll.
Text/Videoperformance Yoshii Riesen, Kenneth Huber
Musik/Videoperformance Marius Peyer, Christian Rösli
Konzeption, Gesamtkomposition Thomas Fischer
Realisation/Produktion, Video, Raum Julia Maria Morf
Sounddesign Thomas Winkler
Softwareentwicklung Pe Lang
Objektdesign Jens Burde, Nicholas Winter
Videolettering, Grafik Roland Hausheer
Tonkonzeption Gabriel Bachmann
Assistenz Grit Röser
Zürich, Kunstraum Walcheturm, 2008
St. Gallen, Lokremise, 2009
Boswil, Alte Kirche, 2009
Bern, Progr, 2009
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Dead Sync: One small step for a man, one giant leap for mankind
Bühneninstallation für Texter, Musiker und Videosampler
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Dead Sync: One small step for a man, one giant leap for mankind
Bühneninstallation für Texter, Musiker und Videosampler
Dead Sync Ausschnitte
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Dead Sync: One small step for a man, one giant leap for mankind
Bühneninstallation für Texter, Musiker und Videosampler
Die Evolution in der Alten Kirche
Aargauer Zeitung, 03.03.2009
Die Gruppe „pulp.noir“ spielte ihre Produktion „Dead Sync“ am Samstag in Boswil. Ein spannendes Experiment mit einer grossen Portion Improvisation.
Die Evolution des Menschen kurz zusammengefasst: Was Stanley Kubrick in seinem wegweisenden Film „2001: A Space Odyssey“ bewerkstelligte, ist die Vorlage für „Dead Sync“, die aktuelle Produktion der Gruppe „pulp.noir“. Vom Urknall bis zu Ufos und Zeitmaschinen schlagen darin 21 Kapitel einen Bogen. „pulp.noir unter der Leitung von Julia Morf und Thomas Fischer spielen oder vielmehr produzieren entlang diesen Kapiteln. Der Abend in der alten Kirche Boswil begann mit diffusen Erwartungen: Wie kann ein Stück funktionieren, das aus vielen einzelnen Text-, Bild-, Ton- und Handlungsschnipseln entlang dieser lockerern Geschichte improvisiert wird?
Das Setting von „Dead Sync“ war ebenso aufwändig wie ästhetisch: Quer durch die Alte Kirche war eine Stangenkonstruktion aufgebaut, an der Lautsprecher sowie drei Leinwände hingen. Darum herum, auf einer grossen schwarzen Teppichfläche, standen ein Dutzend Stationen mit Bild- und Tonmischpulten, Mikrophonen, Elektropianos und – schlagzeugen, beleuchtet von kleinen Scheinwerfern. In diesem Studio produzieren vier Techniker einen Film über die Evolution des Menschen. Das Publikum ist dabei, wenn Sissy Fox, Greg Samba, Frank Stone und Mac Ellan vorbereitete Elemente wie in einem Labor zusammenmischen: Bildschnipsel wie Tiere, Schauspieler (sie selbst), verschiedene Hintergründe; Klänge und Geräusche, die sie mit Requisiten wie zerknittertem Papier, einer antiken Kaffeemühle oder ihrer eigenen Stimme herstellen; und schliesslich Textelemente. Dabei handelt es sich um Sprache, die entweder die Handlung auf den Leinwänden synchronisiert oder berühmte Denker wie Darwin oder Nietzsche zitiert. Da erklärt etwas im Kapitel „Bauern und Hirten“ ein Vater seinem Sohn, dass er „Sorge zu synem Acker“ und „zu synem Wyb“ tragen solle, oder die Technikerin brüllt synchron zu den Mundbewegungen eines Tigers.
Was chaotisch und unübersichtlich klingt und am Anfang auch tatsächlich schwer einzuordnen war, wurde durch den roten Faden der Evolutionsgeschichte zusammengehalten. Die Gruppe vermochte das Publikum zu fesseln, Längen gab es im Stück kaum, auch dank der vielen liebevollen Details in den Filmbildern. Aus der Menge an Requisiten und aus einem Karteikasten mit Textfragmenten holten sich die Akteure immer wieder Inputs.Und wenn man zwar das Gefühl hatte, die Geschichte spiele sich auf drei Leinwänden ab, schaute man aber doch genauso fasziniert den vier Technikern zu, die sich zwischen den Stationen hin und her bewegten und das Geschehen auf den Leinwänden sowie den Ton produzierten.
Nach einer kurzen Pause gab es am Samstag noch einen zweiten Durchgang des Stücks. Jetzt konnte man von Anfang an verfolgen, wo man beim ersten Durchgang noch in der Luft hing und Schwierigkeiten hatte, einen Zusammenhang zu erkennen. Es wurde deutlich, welche Teile fest zum Stück gehören und wo die vier Akteure improvisierten. Kleine Veränderungen in der Handlung liessen einen darüber nachdenken, was wäre, wenn bei der Entwicklung der Menschheit Dinge einen leicht anderen Verlauf genommen hätten. Im grossen Ganzen wäre die Geschichte wohl unverändert geblieben – suggeriert „Dead Sync“ jedenfalls.
Evelyne Baumberger
Dead Sync
Tages Anzeiger, 06.12.2008
Zürich, Kunstraum Walcheturm. – Überall Maschinen. Laptops, Synthesizer, Minikameras, Lämpchen. Dazwischen liegen kleine Steine bereit, ein Regenschirm oder eine Metallkette. Für Ihre multimediale Performance „Dead Sync“ hat die Zürcher Formation pulp.noir um den Komponisten Thomas Fischer und die Regisseurin Julia Morf den schlichten Raum auf dem Zeughausareal in eine aufwendige Mischung aus Filmstudio, Kontrollzentrum und Labor verwandelt. Elf Arbeitsplätze sind ovalförmig um eine doppelseitig bespielbare Leinwand angeordnet. Dazu kommt das übliche Equipment der Bühnentechnik.
Gigantisch ist nicht nur der technische Aufwand, sondern auch das Vorhaben der Gruppe. An einem einzigen Abend soll filmisch, musikalisch und szenisch die gesamte Erdgeschichte abgehandelt und somit der Glaube an den Fortschritt in Frage gestellt werden. Und das mit den Mitteln der Collage und Improvisation. So schweben vor wogender Materie Weichtiere und Einzeller über die Leinwand. Ein riesiger Hai zieht seine Schlaufen. Ein Säbelzahltiger setzt zum immergleichen Sprung an. Vor einem diffusen Klang- und Geräuschteppich vernimmt man feines Schmatzen und Schnalzen.
Später werden die ersten Menschen ins Filmgeschehen katapultiert. Sie sprechen eine holprige Sprache, die wohl dem Mittelhochdeutsch nachempfunden ein soll, hantieren mit Holz und Knochen, halten Schrifttafeln in die Höhe, später Gewehre. Die Performance ist inhaltlich harmlos und wirkt – zumindest bei der Premiere – in der konkreten Ausführung oft schwach.
Sowohl das performende Quartett (Kenneth Huber, Marius Peyer, Yoshii Riesen, Christian Rösli) wie auch das Publikum werden von der Materialfülle erschlagen. Nach einer Stunde ist Pause. Dann werden in einer zweiten Version die Bild- und Tonelement neu gemischt. Diesmal ist die Variante musikalischer und funktioniert besser. Gegen Schluss kommt gar etwas von der ersehnten Dynamik auf. Doch unter dem Strich bleibt der Abend enttäuschend.
Charlotte Staehelin
Unter dem Strich
Neue Zürcher Zeitung, 04.12.2008
Science-Fiction-Gesamtkunstwerk. Die Gruppe pulp.noir arbeitet multimedial. Künstler, Schauspieler, Literaten, Musiker schaffen an einer audiovisuellen Polyphonie. Für das jüngste, ambitionierte Performance-Projekt, „Dead Sync: One small step for a man, one giant leap for mankind“, hat man sich viel vorgenommen. Die Evolution wir thematisiert und die Menschheitsgeschichte samt dem Fortschrittsglauben, der Science-Fiction-Filme wie Stanley Kubricks „2001 – A Space Odyssey“ hervorbrachte und philosophische Gedanken von Friedrich Nietzsche, der den Menschen überwunden haben wollte. Konkret spielt „Dead Sync“ Ende der 60er Jahre: In einem Filmstudio findet die Postproduktion eines monumentalen Science-Fiction-Films statt – das Rohmaterial wird durch sprachliche Synchronisation und Musik in eine endgültige Form gebracht. Die Performance dauert 60 Minuten. Sie wird zweimal in Folge gezeigt, damit die improvisatorischen Momente gut ersichtlich werden.
ubs
Der Sound der Dopplhelix
Züritipp, 04.12.2008
Musik-Performance, pulp.noir/“Dead Sync“
In ihrem Stück Dead Sync verbindet die Gruppe pulp.noir Menschheitsgeschichte, Raumfahrt und nostalgische Technologie zu einer musikalischen Performance.
„So, dann vertont jetzt mal das Gehirn.“ Die Regieanweisung klingt spektakulär und entsprechend konzentriert machen sich die Akteure auf der Probebühne ans Werk. Auf einer der drei grossen Leinwände erscheint tatsächlich eine zerklüftete zerebrale Organoberfläche, und die wird nun mit Klängen und Worten kommentiert. Die Schauspieler sitzen dabei hinter alten Moog-Synthesizern, Bandmaschinen, Echogeräten, Elektroklavieren und diversen Apparaten, die in schaumstoffbespannte Kisten verpackt sind. Damit produzieren sie Bedeutungsspuren, die den Bildern mit leichter Verzögerung folgen und diese in einen ebenfalls leicht veränderten Kontext stellen.
MENSCHWERDUNG
Unter dem Titel „Dead Sync“ wagt sich die Zürcher Theatergruppe pulp.noir an ihr mittlerweile fünftes Projekt. Dabei geht es einmal mehr um das schnelldenkerische Verknüpfen von Populärfragmenten. Obwohl – eigentlich geht es um eine Gruppe von Klangspezialisten, die einen Film nachvertonen müssen. Doch deren Arbeit bleibt nicht auf das todlangweilige Synchronisieren von bewegten Bildern beschränkt. Vielmehr weitet sie sich aus auf das grosse Ganze: auf technischen Fortschritt, die Menschheitsgeschichte und – in letzter Konsequenz – die Evolution. Diese wird denn auch brav als Pars pro Toto in ein gut wiedererkennbares Bild gesetzt: Auf Leinwand Nummer drei erscheint eine bedächtig rotierende Doppelhelix.
DARWIN, ARMSTRONG, KUBRICK
Nachdem sie im Rahmen vergangener Projekte bereits Grossmeister wie Franz Kafka, Robert De Niro oder Miles Davis als Stichwortgeber nutzten, wenden sich die Köpfe von pulp.noir nun weiteren Koryphäen wie Charles Darwin, Neil Armstrong und Stanley Kubrick zu. Deren Ideen, Aktionen und Statements betten sie in eine improvisatorische Performance ein, die mit Gelegenheitsstimmungen und Zufällen operiert – aber auch mit Fairness. Denn der geneigte Zuschauer kann sich gleich zwei Aufführungen hintereinander zu Gemüte führen. Und diese werden mitunter massiv voneinander abweichen.
Philippe Amrein
pulp.noir Projekt 5 Dead Sync
Kunstbulletin, 01.12.2008
Zürich – pulp.noir nennt sich eine 2004 vom Komponisten Thomas Fischer und der Regisseurin Julia Morf gegründete Gruppe, die in den Bereichen Installation, Performance, Konzert und Theater experimentiert. Dead Sync heisst die jetzt startende fünfte Produktion. Sie folgt den Spuren von Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ und setzt sich mit den Fortschrittsfantasien des Science-Fiction-Genres und mit dem radikalen Geschichtsbild von Friedrich Nietzsche auseinander. Die Performances sind jeweils einstündig und werden nach einer kurzen Pause wiederholt – „um das Erreichte zu überwinden“ und weil so „das Prinzip der Improvisation besonders deutlich wird“.