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Silly Works
Eine Theaterautomation von pulp.noir
In der Roten Fabrik soll endlich wieder gearbeitet werden. Vergessen wir die Kultur, und vergessen wir auch die New Economy und das eintönige Verarbeiten von Informationen. Kehren wir zurück zu echten, physischen Arbeitsprozessen, zu Schweiss, Rauch und Russ. Fröhlicher Lärm soll wieder herrschen von dampfenden Maschinen und glücklichen Menschen, die sie bedienen. Gut wird es sein, und alle freie Zeit werden wir dazu nutzen, in Ruhe die drei grossen Fragen zu beantworten:
a) Ist die Arbeit die Mühe wert?
b) Will ich dies noch einmal und noch unzählige Male?
c) Ist Sisyphos glücklich?
Denn Sisyphos ist unser Held: Zur Wiederholung verdammt müht er sich ab und kommt nie ans Ziel. Entsprechend wird auf der Bühne nur sinnlos gearbeitet, worin die fünf Performer allerdings wahre Meister sind. Unterstützt und sogar noch übertroffen werden sie von ihren Avataren und zahlreichen Maschinen, mit denen sie interagieren und zusammen einen Hyperraum bilden, in dem Text, Szene, Video und Musik gleich viel Platz einnehmen. Und am Ende kommen sie ja vielleicht doch noch ans Ziel, das notwendig ein Theater ohne Performer ist.
Performance/Musik Joana Aderi, Fred Bürki, Ralph Tristan Engelmann,
Vincent Membrez, Tobias Reber
Installation/Video Julia Maria Morf
Sounddesign/Mix Thomas Winkler
Konzept/Umsetzung Thomas Fischer
Grafik Roland Hausheer
PR/Werbung Nani Khakshouri
Produktion pulp.noir
Koproduktion Fabriktheater Rote Fabrik
Unterstützt von: Stadt Zürich Kultur, Fachstelle Kultur Kanton Zürich, Pro Helvetia Schweizer Kulturstiftung, Ernst Göhner Stiftung, Fondation SUISA, Migros Kulturprozent, Georges und Jenny Bloch Stiftung
Mit herzlichem Dank an: Bachmann Pianos, Usine Sonore, ProDisplay
Vorstellungsdaten im Fabriktheater Rote Fabrik Zürich
16. Oktober 2015, 20:00
17. Oktober 2015, 20:00
20. Oktober 2015, 20:00
21. Oktober 2015, 20:00
22. Oktober 2015, 20:00
23. Oktober 2015, 20:00
24. Oktober 2015, 20:00
25. Oktober 2015, 18:00
Infos & Tickets:
www.rotefabrik.ch/fabriktheater
www.fabriktheater.ch
+41 44 485 58 28
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Silly Works
Eine Theaterautomation von pulp.noir
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Aufzeichnung vom 23.10.15, Fabriktheater Rote Fabrik
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Zwiespalt
P.S. Oktober 2016
Die Formation «pulp.noir» experimentiert mit «Silly Works» erstmals wieder mit Inhalt, nachdem ihre letzten Produktionen optisch-akustische Rauschzustände herstellten. Klappt noch nicht ganz.
Zuerst die Stechuhr, dann der Einlass. «pulp.noir» hievt die Sinnfrage von Ar- beit auf den Schild und findet dafür
in den Videos von Julia Maria Morf ein aus- schweifendes Füllhorn, das auf freier Assozi- ation beruht und dem offenbar ein Besuch in einem Spielzeugmuseum vorangegangen war. Das Equipment für die Filmcollagen erinnert dann auch vielmehr an eine Kindersendung, so altmodisch verniedlichend wirkt die Ver- wendung von Blechspielzeug. Die live nicht ar- beitenden, in den Filmen indes sehr wohl zum schwitzen kommenden Ensemblemitglieder tragen Namen wie Sissy Fox (Sisyphos), Mac Elan oder Greg(or) Samsa (Kafka). An bedeu- tungsschwangeren Anspielungen fehlt es die- ser Arbeit gewiss nicht, nur bleibt die Frage- stellung genauso im Luftleeren hängen, wie irgend eine während der Performance einge- schlagene Tendenz für ein Publikum kaum he- rauslesbar wird. Die frühere Begeisterung, ei- ner wuchtigen Rauschherstellung aus Sound und Bildern beizuwohnen, wird damit nicht wieder hergestellt. Die Vermutung liegt nahe, dass der Wille, wieder Inhalt in die technisch anspruchsvollen Shows einfliessen zu lassen, irgendwo auf halber Strecke stecken blieb, al- so im Unentschiedenen. Quell dieser «Thea- teranimation» ist gemäss Pressetext Albert Camus’ «Der Mythos des Sisyphos», was als philosophisches Essay vermutlich schon eini- ges an Denkleistung von Lesenden einfordert. Wird wortlos und erklärungsfrei ein Abend for- maler Spielerei darauf aufgebaut, verkriecht sich die Erkenntnis für ein Publikum im Un- erklärlichen. Pathos und Aufschlüsselung ste- hen sich hier in einem noch nicht aufgelösten Widerspruch einander gegenüber oder sugge- rieren in ihrer beider Erkennbarkeit zumin- dest, dass hinter der mannigfaltigen Wieder- holung von Sisyphos-Bildabfolgen noch mehr stecke, als auf Anhieb herauslesbar wird. Die- ser Zwiespalt bleibt aber bestehen und sorgt entgegen der Vorläuferproduktionen für kei- ne aufrichtige Begeisterung, sondern führt ei- nen vielmehr zur bis zuletzt offen bleibenden Gretchenfrage: Und jetzt?
pulp.noir zeigt Silly Works
Tages Anzeiger Oktober 2016
Ein „Boah“ oder einen anderen Ausdruck des Erstaunens entlockt einem dieser Abend durchaus – angesichts der liebevoll vollgerümpelten Bühne mit ihren Instrumenten, Artefakten des industriellen Arbeitens und dem Funkenregen auf den Screens, die frei im Raum hängen und die von den Beamern als lebendige Videobilder bespielt werden können. Wobei man letztere bereits aus pulp.noirs letztjähriger Bühnenarbeit kennt, die man als audiovisuelle Crystal-Meth Orgie erlebte.
Eine Droge ist auch Silly Works, der neue Abend des Multimediakollektivs. Zumindest in seinen starken Momenten: da fliegen wir am Videohorizont über eine Meerlandschaft , während uns auf den Sceens die Bühnenavatare entgegenschreiten; es verdichtet sich der Noise mit den Vocals von Sissy Fox.
pulp.noirs jüngste Produktion hat sogar einen schönen Witz, wenn uns als Video ein Brummifahrer namens Gregor Samsa entgegenrollt. Denn in „Silly Works“ soll es ja grundsätzlich um die Arbeit gehen, der sich Kafkas Büromalocher durch die Tierwerdung entzieht – und pulp.noir offensichtlich als Problem empfindet. Etwa wenn Ralph Tristan Engelmann uns die Phrasen der Motivationspäpste entgegenschleudert. Oder wenn die Bild-Ton-Collage die Arbeit – wie das Leben insgesamt – als monotone Wiederholung zelebriert. Dass dies Angesichts von Ausbeutung und entfremdeter Arbeit so empfunden werden kann, wussten wir schon vorher. Dafür braucht es diese Theaterarbeit nicht, die als Lösung dann auch nicht mehr als „Be yourself!“ anbietet, das Engelmann einmal in sein Mikrophon raunt.
Andres Tobler